Als erste weibliche Lehrkraft an der Ingenieurschule Mittweida hat Ingrid von Reyher mit männlichen Vorurteilen zu kämpfen. Durch Fachwissen und Beharrlichkeit wird sie für die Kollegen und Studenten bald zum Vorbild. Seit 2012 wird an der Hochschule Mittweida zu Ehren der Naturwissenschaftlerin der Ingrid-von-Reyher-Preis vergeben.
Geschätzte Dozentin und ehrenamtliche Meteorologin
Ingrid von Reyher
1908–2004
Ingrid von Reyher stammt aus einer deutschbaltischen Adelsfamilie. Zum Studium verlässt sie 1927 ihre Heimat Łodz und zieht nach Wien, wo sie sich an der Universität für die Fächer Chemie und Physik einschreibt. Nach ihrer Promotion kehrt sie nach Łodz zurück und arbeitet als Chemikerin am Staatlichen Hygiene-Institut.
Nach Kriegsende muss Ingrid von Reyher aus dem Osten fliehen. In Mittweida findet sie eine neue Heimat. Wegen akutem Lehrkräftemangel an der dortigen Ingenieurschule (heute: Hochschule Mittweida) wird Ingrid von Reyher im November 1945 als Dozentin eingestellt. Rückblickend beschreibt sie ihre ersten Erfahrungen so: „Ja, am Anfang war es ganz schlimm. Man erzählte mir, dass die Studenten bei meiner ersten Vorlesung fast vom Stuhl gefallen wären, weil sie es nicht für möglich hielten, von einer Frau gelehrt zu werden.“ Schnell legen sich die Zweifel. Als Frau im Lehrberuf bleibt sie an der Ingenieurschule Mittweida bis zu ihrer Rente im Jahr 1968 eine von wenigen Ausnahmen.
Abseits der Lehre engagiert sich Ingrid von Reyher intensiv für die Stadt Mittweida, so von 1977 bis 1989 als Stadträtin. Als ehrenamtliche Standesbeamtin nimmt sie über 400 Trauungen vor. Ihr Fachwissen kann sie bei ihrer freiwilligen Tätigkeit für den Meteorologischen Dienst der DDR, später den der Bundesrepublik, einsetzen. Für dieses Engagement wird Ingrid von Reyher 1993 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Die Stadt Mittweida macht die Naturwissenschaftlerin im Alter von 90 Jahren zur Ehrenbürgerin. 2004 stirbt Ingrid von Reyher in Mittweida.
Fotonachweis: Hochschularchiv Mittweida (1, 2, 3, 4, 5)